Jubiläum: 75 Jahre Jaguar XK 120
Es ist Montag, wir feiern Jubiläen: Heute mit dem Jaguar XK 120, der vor 75 Jahren seine Weltpremiere erlebte.
Gedanken für einen neuen Motor hatten sie bereits im Krieg während langen, nächtlichen Feuerwachen gegen deutsche Luftangriffe gewälzt, William «Bill» Heynes, Walter «Wally» Hassan und Claude Baily, das Entwicklungsteam von SS Cars, jener Firma, die direkt nach Kriegsende in Jaguar Cars umbenannt wurde. Der erste Motor lief im Oktober 1945, ein Vierzylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen. Die Arbeit am Projekt X-Motor – X für experimental – ging so schnell voran, dass Bill Heynes später zugab, richtige Pläne erst im Nachhinein angefertigt zu haben, als die Richtung klar geworden sei. Der Vierzylinder lief für den Einsatz in einem Saloon zu rau. Erst ein Sechszylindermotor brachte die gewünschte Laufkultur.
Der zunächst 3.2 Liter grosse DOHC-Motor (Bohrung×Hub 83×98mm) lief erstmals am 15.September 1947 auf dem Prüfstand. Brachte es bereits der 1790 Kubikzentimeter grosse Vierzylinder auf beachtliche 83 bhp (Brake Horsepower), so kam der Zeiger beim Sechszylinder bei 142 bhp und 5000/min zu stehen. Damit waren die Chancen intakt, dass ein 100-mph-Saloon, wie er William Lyons vorschwebte, Realität werden konnte. Der Vierzylinder wurde nicht aufgeben, aber vorerst zurückgestellt, und der 3.2-Liter wurde zum 3.4-Liter weiterentwickelt.
Nicht nur doppelte obenliegende Nockenwellen faszinierten Bill Heynes und sein ab 1935 aus dem Nichts entstandenes SS-Cars-Entwicklungsteam. Wally Hassan stiess Ende 1938 von W.O. Bentley und einem Projekt mit Bentleys ehemaligem Direktor und Bentley-Boy Woolf Barnato zu SS Cars, Claude Bailey ergänzte das Team 1940. Auch die Entwicklung einer vorderen Einzelradaufhängung war geplant. Heynes bewunderte die Konstruktion von Citroën, hier auch noch angetrieben und mit Drehstab gefedert. Wichtigstes Feature neben den beiden Querlenkern war die Lösung mit Kugelbolzen, welche sowohl die Drehung des Achsschenkels wie auch der Federschwingungen erlaubte. Bis dahin kannte man nur durchgehende Achsschenkelbolzen und wartungsintensive Bronzebüchsen, die trotz regelmässigen Abschmierens rasch ausschlugen. Die Lösung von Citroën war leicht, präzise und genau das, was den Aufwand der Einzelaufhängung rechtfertigte. Allerdings verlangte diese ein steifes Chassis, da die gewonnene Fahrpräzision sonst für die Katz gewesen wäre. Im ersten Jaguar-Nachkriegsauto, dem Mk V, sollte dieses Chassis Premiere feiern.
Es gab also einen Motor, der für einen unfertigen Personenwagen, den Mk VII to be, gedacht war, und ein neues Chassis, welches unter dem optisch konservativen Mk V steckte – doch es fehlte die grosse Sensation, ein Symbol für Jaguars Aufbruch in die Nachkriegszeit und auf den Weltmarkt. Deshalb gedieh die Idee, auf ein neues, gekürztes Chassis mit dem neuen Motor eine schnell konzipierte Roadster-Karosserie zu zimmern. Ein offener Sportwagen für den Export sollte entstehen, denn im Vereinigten Königreich wurden nach dem Krieg jene Unternehmen bevorzugt mit Rohmaterialien beliefert, die sich im Export verdient machten – «export or die».
Der Sportwagen war ein Schnellschuss. Womöglich war er sogar nichts weiter als die Verkaufshilfe für den neuen Motor und das, was im Oktober 1948 auf der London Motorfair als XK 120 zu sehen war, im Prinzip nur ein Concept-Car, über das man sich nach dem Sammeln erster Publikumsreaktionen noch Gedanken würde machen müssen. Doch kaum jemand fragte nach dem Vierzylinder XK 100, obwohl der kleine Bruder des XK 120 sogar in einem deutschsprachigen Prospektblatt von Emil Frey angekündigt worden war. Das mangelnde Interesse bewog Jaguar, das stets mit knappen Ressourcen operierte, die Verfeinerung des Vierzylindermotors zu sistieren und sich ganz dem Sechszylinder zu widmen.
Die Form des Kleides zum schnell, schnell entwickelten Jaguar-Nachkriegssportwagen ging in weiten Teilen auf den Gründer selber, William Lyons, zurück. Betrachtet man das Objekt, das aller Wahrscheinlichkeit nach das erste Eins-zu-eins-Modell des kommenden Sportwagens darstellte, zeigen sich interessante Ansätze. Um es besser einordnen zu können, ist etwas Kenntnis über die Aktivitäten der damaligen Konkurrenz hilfreich.
Interessant etwa sind die Reisen von Harold John Aldington nach Deutschland im Nachgang zur deutschen Kapitulation. Aldington gehörte AFN (Aldington Frazer-Nash) in Isleworth und war vor dem Krieg BMW-Importeur. Er wollte sich einen 1939 in Hamburg verunglückten BMW 328 zurückholen. Per Flugzeug – richtig gelesen – kehrte er aber mit einem der drei BMW 328 Mille Miglia Roadster aus der von den Amerikanern befreiten und später den Sowjets überlassenen Stadt Eisenach ins Vereinigte Königreich zurück. Dieses Auto, welches auch am Anfang der Geschichte Bristols steht – der Flugzeugbauer nutzte ursprünglich eine BMW-Lizenz von Frazer-Nash und hielt Anteile an AFN –, muss um 1947 herum sowohl William Lyons wie Bill Heynes bekannt gewesen sein. Ein gewisser Gilbert Tyrer hatte den Wagen 1946 gekauft, um damit Rennen zu fahren. Der Mille-Miglia-BMW 328 steht heute im BMW-Werksmuseum in München und verblüfft mit seiner frappanten Ähnlichkeit zum Jaguar XK 120 sowie seiner modernen und glattflächigen Form noch immer.