Ford Ranger Raptor im Test
Die Spritpreise sind auf Rekordniveau. Auf Wiens Hauptverkehrsrouten picken immer wieder Klimaaktivisten. Das EU-Parlament beschloss de facto das Verbrenner-Aus. Und überhaupt: Photovoltaik ausverkauft, NoVA angehoben, E-Autos vorangetrieben, Wasserstoff mit Fragezeichen, E-Fuels überhaupt … die Autowelt ist im Umbruch. Und dann ist da Ford. Die hauen, vermutlich ala „wann, wenn nicht jetzt noch schnell“, die Neuauflage ihres Pick-up-Bestsellers mit dem Motor aus dem Ford GT, einem Bodykit aus Bubenträumen und dem Fahrwerk eines Baja-Rennwagens raus. Komplett vorbei am Markt? Vielleicht. Trotzdem großartig? Verflucht ja.
An der Ampel auf einen Cayenne-Fahrer runterschauen, das konnte man in Pickups schon immer. Ihn verblasen aber nicht. Zumindest, sofern man nicht in irgendwelchen jenseitigen US-Importen saß. Jetzt aber … geht das immer noch nicht. Selbst ein Basis-Cayenne ist mit seinen 6,2 Sekunden auf Tempo 100 immer noch deutlich flotter als der Raptor, in dessen Preisliste und Prospekt die rund acht Sekunden, die er für den Paradesprint braucht, erst gar nicht drinstehen. Doch das ist gut so. Denn darum geht’s hier nicht. Auch nicht um den Top-Speed, der mit 180 km/h selbst von einem Basis-Golf locker übertroffen werden kann. Nein, hier geht es um die Durchschnittsgeschwindigkeit, die der Wagen ermöglicht; vollkommen wurscht auf welchem Untergrund man unterwegs ist. Denn dank seiner 2,5 Zoll großen FOX Live Valve-Stoßdämpfer steckt er auch bei Autobahntempo Bodenwellen und Sprünge weg, bei denen andere PKW nur noch nach Schrottwert abzurechnen wären, sofern man überhaupt noch alle Teile findet.
Fast unnötig zu erwähnen, dass dementsprechend auch die „gewöhnlichen“ Offroad-Qualitäten des neuen Ranger Raptor kaum einen Vergleich scheuen müssen. Bis zu 31° Kipp- und Böschungswinkel vorn, hinten immerhin 27°, 24° Rampenkippwinkel, 850 mm Wattiefe, selbstverständlich mannigfaltig einstell- und sperrbarer Allradantrieb sowie ausgewachsene Offroad-Pneus und 360°-Kameras mit eigenen Offroad-Visualisierungen für gute Übersicht sorgen dafür, dass man sich tatsächlich ein klein wenig unaufhaltsam fühlt.
Umso beeindruckender, dass dabei aber auch auf der tatsächlichen Autobahn nie das Gefühl von Deplatzierung aufkommt. Selbst wenn man die Toleranzgrenzen der StVO ausreizt, fühlt sich der Raptor angenehm stabil und ruhig an. Dazu passt auch, dass es bei dieser Gelegenheit im Interieur nicht viel lauter hergeht, als in ähnlich steil im Wind stehenden Fahrzeugen. Klar: Die Offroad-Batschen rollen deutlich effektvoller ab als ein rollwiderstandsoptimierter Eco-Reifen und auch der Fahrtwind gibt sich bei dreistelligen Geschwindigkeiten mitteilsam, doch es bleibt alles im Rahmen.
Und selbst in der Stadt braucht es keinerlei Leidensfähigkeit; vielleicht von den Themen Parkplatzsuche und Wendekreis abgesehen. Die Lenkung ist für einen Pickup sehr direkt – also auf PKW-Niveau – und durchaus feinfühlig. Die Bremsen sind gut dosierbar. Die 10-Gang-Automatik ist auf Wunsch angenehm sanft und der Motor sodann akustisch wie auch Vortriebstechnisch zivil. Die Betonung liegt hier allerdings jeweils auf „auf Wunsch“; der Raptor kann auch ganz anders. Doch dazu, also zu den Fahrmodi, kommen wir später noch einmal.
Zuvor reden wir über den Innenraum. Tatsächlich trägt das Interieur einen großen Teil dazu bei, dass man im Ranger Raptor in jedem Terrain gern in ihm verweilt. Hat man sich via Trittbrettern und Griff an der A-Säule dynamisch ins Interieur geschwungen, hält einen feines Sport-Gestühl feinfühlig aber bestimmt an Ort und Stelle, während der Blick über eine Armaturenlandschaft schweift, die einen feinen Kompromiss aus „hemdsärmelig“ und „sportlich-modern“ gefunden hat. Obgleich der vertikal stehende, scharf auflösende und schnell reagierende 12 Zoll-Touchscreen (über den freilich auch Android- und Apple-Smartphones gespiegelt werden können) die Mittelkonsole dominiert, sind alle wichtigen Handgriffe über mechanische Bedienelemente zu erledigen. Für die Temperatureinstellung wurden uns also ebenso echte Drehregler und Knöpfe spendiert wie für die Allrad- und Fahrmodi-Einstellung, den adaptiven Tempomaten, die Aktivierung Offroad-Kamera-Funktion, die Lautstärkenregelung des 640 Watt starken und zehn Lautsprecher umfassenden B&O-Soundsystems und so manches mehr; auch am Lenkrad übrigens.
Und damit kommen wir zurück zu den Fahrmodi. Sieben davon gibt es. Sie decken das gesamte Spektrum von „rutschig“ über „steinig“ bis „Baja!“ ab und können noch um einen eigenen „Raptor-Mode“ erweitert werden, der über eine eigene Taste am Lenkrad aktiviert und gespeichert werden kann. Denn natürlich können abseits der vordefinierten Modi Variablen wie das Fahrwerk, der Allradantrieb, die Getriebeeinstellung, die Lenkung oder die Klappenauspuffanlage auch einzeln justiert werden. Übrigens im Falle von Lenkung, Fahrwerk und den beiden Schornsteinen im Heck auch über eigene Tasten am Volant. So bleiben tatsächlich keine Wünsche offen, zumal die gebotene Spreizung breit ist und Unterschiede in fast allen Modi augenblicklich spür- oder hörbar sind.
Obgleich der Ranger Raptor – vor allem in Zeiten wie diesen – wohl eher als Spielzeug denn als Arbeitstier angeschafft wird, so wäre er dennoch auch dafür bestens gewappnet. Neben seinen „go anywhere-Qualitäten“ bringt er nämlich auch all die praktischen Qualitäten mit, die den Ranger ganz an und für sich zu einem überaus interessanten Vertreter der Pick-Up-Zunft machen. Da wäre einerseits die üppige Ladefläche, die in ihrer Breite auf nunmehr 1.223 mm angewachsen ist und die im Rahmen des „Raptor-Pakets“ mit einer elektrisch zu bedienenden Abdeckung, einem 12 Volt-Anschluss und einer Laderaumschutzwanne versehen werden kann. Zudem warten in der massiven Heckklappe praktische Öffnungen zum Montieren von Schraubstöcken und natürlich können via dem 400 Watt Spannungskonverter an Bord auch zahlreiche Zusatzaufbauten und Beleuchtungen betrieben werden, für deren Verwaltung hinter der Innenbeleuchtung über den Köpfen von Fahrer und Beifahrer acht Kippschalter warten. Und apropos Licht: Zur üppigen Serienmitgift gehören freilich auch die tadellos reagierenden Matrix-LED-Scheinwerfer samt schnittiger Tagfahrlichtgrafiken. Überhaupt sollte wohl erwähnt werden, dass bis auf das erwähnte Raptor-Paket, das rein optisch noch den „Sportbügel“ hinter der Doppelkabine hinzufügt, der orangen Metallic-Lackierung und der Aufkleber alles an dem Auto „Serie“ ist. Frei nach dem Motto „wenn schon, denn schon“ rollt der Raptor also ausnahmslos als volle Hütte aus dem Werk. Sollte er aber auch, bei 59.590,- Euro netto, was wegen der stolzen 32 Prozent NoVA einen Bruttopreis von 96.666,80 Euro ergibt. Achja! Und Verbrauch hat er auch … nicht wenig … aber angemessen. Bei entspannter Fahrweise sogar sehr nah am WLTP-Wert. Andererseits: Wer beim Langzeitverbrauch eines Ford Ranger Raptor eine „1“ am Beginn des zweistelligen Verbrauchwerts stehen hat, verwendet ihn ohnehin nicht standesgemäß.