TEST: JAGUAR I-PACE
Der I-Pace wird in Graz für die ganze Welt gefertigt und hat die Luxusklasse unter Strom gesetzt. Neben dem speziellen Auftritt prägen ihn der sportwagenhafte Antritt und das Reisen in der ersten Klasse. Wo die Stärken und Schwächen des Engländers liegen, wie hoch seine Reichweite in der Praxis ist und was man sonst noch beachten sollte, erklärt der Test.
Jaguar als Tech-Pionier?
Die Engländer haben am schnellsten auf Tesla reagiert und schon 2018 ein eigenständig entwickeltes Oberklasse-Elektroauto vorgestellt. Das hat nicht zuletzt die deutschen Premiummarken unter Strom gesetzt und dem Segment insgesamt Anschub gegeben. Der I-Pace wurde „Auto des Jahres 2019“ und ein Teil der Ehre gebührt auch Österreich, denn Magna-Steyr in Graz fertigt den Elektro-Pionier für die ganze Welt.
Wie schaut der Modellzyklus aus?
Ein erstes Update hat der I-Pace bereits hinter sich, ein weiteres folgt 2023. Während der I-Pace-Modellzyklus also noch einige Jahre dauern wird, sind im Hintergrund große Veränderungen im Gange: Nachdem Jaguar in den letzten Jahren über F-Pace, F-Type, XF und Co. das direkte Duell mit den deutschen Premiummarken gesucht hat, koppeln sich die Engländer künftig wieder stärker ab – mit außergewöhnlichem Design und noch mehr Luxus.
Gibt es die I-Pace Austria Edition noch?
Im Konfigurator ist sie nicht mehr wählbar, die Händler haben aber noch einige der Sondermodelle in petto. Wer schnell ist, kann also ein Schnäppchen machen: Um in den Genuss der Elektroauto-Prämie zu kommen, die Staat und Hersteller beim Kauf zuschießen, hatte Jaguar den Einstiegspreis unter 60.000 Euro gedrückt. Damit bewegt sich die Austria Edition in Preisregionen von Hyundai Ioniq 5, Kia EV6 und VW ID4, ohne dass Kunden echten Verzicht üben müssten: Motorleistung und Drehmoment wurden zwar über Software-Eingriffe runtergesetzt, der Abstieg von extrasportlichen 400 PS (EV400) auf sportliche 320 PS (EV320) ist aber verkraftbar. Und die reduzierte Ausstattung war ja sowieso unverbindlich, also über die Extraliste erweiterbar.
Ist das Design gelungen?
Der I-Pace hat einen speziellen Auftritt, weil er Designelemente von SUVs aufgreift, aber nicht sehr viel höher als eine Limousine baut – Briten sind als Exzentriker bekannt.
Im Vergleich zu manchem Ungetüm bewahrt sich der Jaguar ein halbwegs kompaktes Längenmaß von 4,68 Metern. Aus der Elektro-Technik ergeben sich neue Proportionen: Die Vorderachse rückt nach vorne und ermöglicht eine längere Kabine. Aerodynamik wird noch wichtiger, man sieht es am abfallenden Heck mit scharfer Abrisskante. Dazu kommen spezielle Details wie der Lufteinlass in der Fronthaube und die elektrisch einziehbaren Türgriffe.
Die Karosserie macht einen standesgemäß hochwertigen Eindruck und wird mit edlen Lackierungen angeboten, die von der 0815-Farbpalette abweichen. Große Räder sind für einen schicken Auftritt indes Pflicht.
Überzeugt der Innenraum?
Das Premium-Gefühl kommt voll bei den Passagieren an: Verarbeitung und Materialqualität sind 1A, entsprechend luxuriös und einnehmend ist das Ambiente an Bord. Dem Design merkt man den fortgeschrittenen Modellzyklus ein bisschen an, hier wird das Update 2023 eingreifen. Im Blickfeld des Fahrers sind digitale Armaturen, die mit der Lenkradfernbedienung korrespondieren und vor Richtungsänderungen auch Darstellungen der Navigations-Karte einblenden. Ein umfangreiches Head-up-Display gibt es zusätzlich. Verfahren also fast ausgeschlossen.
Der zentrale Touchscreen in der Mittelkonsole hat seit dem letzten Update eine neue Software: Das Pivi-Pro-System überzeugt mit Schnelligkeit und angenehmer Bedienung. Ein paar Details bleiben umständlich, aber das ist ja fast überall so.
Trotz etwas erhöhter Sitzposition haben große Fahrer in der ersten Reihe reichlich Kopffreiheit, bei sehr langen Beinen limitiert die Mittelkonsole etwas die Bewegungsfreiheit. Hinten kommen Erwachsene bis 1,90 Meter Körpergröße bestens unter. Das Basis-Kofferraumvolumen ist ordentlich und kann durch Umklappen der Rückbank im Verhältnis 40:20:40 erweitert werden.
Wie fährt sich der I-Pace?
Im I-Pace unterwegs zu sein, ist Reisen erster Klasse: Bei Landstraßen- und Autobahntempo herrscht im Innenraum herrliche Ruhe – Aerodynamik, Karosseriesteifigkeit und Dämmung werden da spürbar. Das Auto liegt satt, beschleunigt beim kleinsten Zucker mit dem rechten Fuß souverän und lautlos. Entsprechend entspannt ist der Fahrer in seinem großen Ledersessel.
Bei niedrigerem Tempo muss man das Gaspedal etwas dosieren und merkt das knackige Fahrwerk stellenweise, unkomfortabel wird es aber nicht.
Wenn die vollen 400 PS und die fast 700 Newtonmeter abgerufen werden, zeigt der I-Pace einen sportwagenhaften Antritt und stürmt geradezu los. Auch das Kurvenverhalten ist erstaunlich dynamisch: Mit exakter Lenkung, guter Balance, wenig Seitenneigung und sportiv gestimmtem Allrad geht es sehr beherzt durch die Straßenkrümmungen – wobei man natürlich einschränken muss: so flott, wie es für ein zweikommazwei Tonnen schweres Auto eben gehen kann. Das Thema Gewicht beschäftigt alle Luxus-Elektroautos. Der I-Pace ist durch seinen hohen Aluminiumanteil aber immerhin bis zu 200 Kilo leichter als die Konkurrenz.