
Jaguar 2.0: Das steckt hinter der Neuausrichtung der Marke
Jahrzehntelang stand die Marke für innovative Technik und sportliche Eleganz. Modelle wie der Jaguar C-, D- oder E-Type sind längst Legenden der Automobilgeschichte. Doch in den vergangenen Jahren blieb der Erfolg zunehmen aus. Jetzt wagt man einen radikalen Neustart.
Jaguar: Mit dem Type 00 startet die Automobilbrand in eine neue Ära
Wie gelingt es einem mehr als hundert Jahre alten Autohersteller, sich komplett neu zu erfinden? Indem er sich von vielem trennt, was war – und zwar rigoros. So lautet zumindest der Plan von Jaguar. Vom Design-Grundsatz über das Verkaufsprofil bis zur Markenidentität: So, wie viele das Unternehmen bislang kannten, existiert es nicht mehr. Britisches Understatement und filigrane Formen? Waren gestern. Mit einer komplett neuen, ungewöhnlich lauten und ganz auf das Luxussegment ausgerichteten Markenstrategie will sich Jaguar in ein neues Zeitalter und zurück in die Köpfe der Menschen katapultieren. Kann das gelingen?
Jaguar: Die Geschichte einer Autobrand
Die Geschichte von Jaguar beginnt im Jahr 1922 in Coventry, einer Stadt im Herzen Englands, die damals das Zentrum der britischen Automobilindustrie war. 1935 präsentierte man den SS Jaguar 100, ein Sportcoupé, das durch seine Eleganz und Leistungsfähigkeit auffiel. Das Modell stellte die Weichen für Jaguars zukünftige Ausrichtung als Hersteller von Luxusfahrzeugen mit sportlichem Charakter. Den Markennamen wählte man aufgrund der Assoziation mit der Stärke und Eleganz der gefleckten Großkatze; er sollte sich bald als Markenzeichen für Qualität etablieren. Modelle der XK-Serie machten Jaguar nach und nach international bekannt und führten zu Siegen bei prestigeträchtigen Rennen wie den 24 Stunden von Le Mans. In den 1960er-Jahren erlebte das Unternehmen seine Blütezeit. Damals präsentierte es eines seiner bis heute bekanntesten Modelle: den Jaguar E-Type. Der Sportwagen mit markant geschwungener Karosserie und bahnbrechender Technik wurde zum Inbegriff für britischen Luxus und Fahrspaß. Das Fahrzeug erlangte Kultstatus und soll von keinem Geringeren als Enzo Ferrari als „das schönste Auto der Welt“ bezeichnet worden sein.
Trotz des weltweiten Erfolgs geriet Jaguar in den folgenden Jahrzehnten immer wieder in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der Wettbewerbsdruck wuchs, und die Zeiten, in denen man sich auf einem ikonischen Design ausruhen konnte, waren irgendwann vorbei. Als in jüngster Vergangenheit E-Mobilität, Nachhaltigkeit und technische Innovationen zu Schlüsselfaktoren der Branche wurden, musste man sich eingestehen, den Anschluss verpasst zu haben. „Jaguar musste radikal neu gedacht werden, weil es – und da müssen wir ganz ehrlich sein – in den vergangenen 20 Jahren nicht erfolgreich war“, so Gerry McGovern, Chief Creative Officer der Holding JLR (Jaguar Land Rover). „Es ging darum, etwas Einzigartiges, Neues zu schaffen, anderenfalls würde die Marke in Zukunft nicht mehr existieren. Wir waren zu konformistisch und haben uns in Geschäftsstrategien verloren, die auf die Konkurrenz und mehr Volumen statt auf Begehrlichkeit und Markenwert abzielten.“ Ein Neustart schien also unausweichlich. Doch wie führt man eine derart geschichtsträchtige Marke in eine neue Ära?
Das Rebranding einer Ikone
Das Leitmotiv des Neustarts stand bald fest: „Copy Nothing“. Jaguar 2.0 – das sollte ein Original sein, einzigartig und unkonventionell. McGovern geht sogar noch einen Schritt weiter: „Mir war es wichtig, zu Beginn erst mal keine Fahrzeuge zu zeigen, sondern eine Markenwelt zu etablieren. Ich wollte, dass sich die Leute fragen: Ist das überhaupt eine Automobilmarke? Denn wir wollen auf keinen Fall wie eine typische Automarke auftreten, sondern wie eine Luxus-Brand.“ Der erste Imagefilm zur Jaguar-Renaissance, der mittlerweile mehr als 170 Millionen Mal angesehen wurde, sorgte für Aufsehen. Er zeigt tatsächlich keine Fahrzeuge, sondern extravagante Models in bunten Outfits, dazu karge Landschaften und die neuen Leitlinien der Brand: „Create exuberant“, „live vivid“, „delete ordinary“, „break moulds“ und natürlich „copy nothing“.