
Polestar 3 und 4: Sie sollen den Nordstern zum Strahlen bringen
Polestar-Doppelpack: Nr. 3 und 4 als große SUVs mit einigen Unterschieden – aber auch Eigenarten, die sie gemeinsam haben. Anders, nicht immer besser.
Muss man sich Sorgen machen? Droht Polestar ein Fisker-Schicksal? Die Dinge sind unterschiedlich gelagert: Fisker stand allein da, solcherart fast zum Scheitern verurteilt. Hinter Polestar, immer noch mit Start-up-Aura, steht der chinesische Autokonzern Geely; auch dessen Tochter Volvo, aus der Polestar hervorging, hält Anteile an dem Unternehmen aus Göteborg.
Was schon Fisker nicht geholfen hat und auch Polestar betrifft: der scharfe Gegenwind der abgekühlten EV-Begeisterung (mit damit einhergehender Rabattschlacht), das war in der Planungsphase nicht einkalkuliert. Irgendwann, eher bald, muss Polestar aber eine größere Zahl von Autos absetzen. Das Gründerteam um Thomas Ingenlath ist schon abgetreten. Schmerzlich, dass die SUV-Modelle, die dem Polestar 2 nun zur Hilfe eilen, so lang gebraucht haben.
Kamera statt Heckscheibe
Der Polestar 4, um mit dem (etwas) Kleineren zu beginnen – eigene Logik der Namensgebung! –, steht sich zunächst ein wenig selbst im Weg, denn der Verzicht auf eine Heckscheibe geht nur schwer als Produktvorteil durch. Klar kann man sich dran gewöhnen, dass es stattdessen Kamera und Display anstelle eines Innenrückspiegels gibt. Man kann sich auch an ein Holzbein gewöhnen. Diesen Preis hat jedenfalls die schnittig geduckte, coupéhafte Form des Polestar 4, der sich von pummeligen SUVs doch deutlich absetzt.
Beim Raumangebot sind indes keine Abstriche zu beklagen. Der Fußraum hinten ist fast opulent zu nennen. Design, das man gern nordisch, reduziert, sauber nennt, schöne Materialien in Griff und Anblick. Die Bedienlogik ist freilich dem Mantra des Andersseins untergeordnet, sprich alles ist über den großen Touchscreen einzustellen, sogar Außenspiegel, Lenkrad (über ungekennzeichnete, mehrfach belegte Lenkradtasten), das Öffnen des Handschuhfachs.
Das muss bei den progressiv Gesinnten so sein, ergibt aber noch lang keine Verbesserung in der täglichen Handhabe. Die ergonomische Torheit, die fahrerseitigen Fensterheber für hinten wegzulassen (Doppelbelegung zum Umschalten), löste schon in VWs ID-Vehikeln Kopfschütteln bis Protest aus. Zum Trost verbleibt ein schöner Drehregler zum Justieren der Lautstärke. Und die Idee, das Ambiente-Lichtsetting mit einer Planeten-App zu steuern.
Elektrotypisch hängt der 4er auch mit Heckantrieb schön am Fahrpedal. An der sehr straffen Federung merkt man den Willen, einen möglichst dynamischen Fahreindruck zu hinterlassen. Aber großes und schweres Auto, das es nun einmal ist, sind der Fahrwerksalchemie Grenzen gesetzt, zudem hat Polestar vielleicht nicht ganz die Künste von Audi, BMW oder Porsche aufzubieten. Ein besonders sportlich ausgeprägtes Fahrgefühl haben wir nicht wahrgenommen. Dafür hervorragende Sitze, wohl aus der Volvo-Tradition.