VOLVO EX90

Der EX90 geht 2023 einen großen Schritt in die vollelektrische Volvo-Zukunft, kann bidirektional laden und irgendwann allein fahren. Für China gibt es zudem eine viersitzige Top-Ausstattungsvariante. Der Produktionsstart verzögert sich allerdings.

Der neue Volvo EX90 soll 600 Kilometer elektrisch fahren, bidirektional laden, voll vernetzt stets aktuell bleiben und mit vielen Sensoren Insassen und Umgebung schützen. Er ist das erste Modell auf einer neuen Plattform für reine E-Autos und damit auch ein Blick in die Zukunft der Marke.

Bis 2030 soll jeder neue Volvo über einen reinen E-Antrieb verfügen, zehn Jahre später soll die gesamte Firma CO2 neutral sein. Dazu gehören auch kurze Wege: Den EX90 baut die schwedische Geely-Tochter zunächst im Hauptmarkt USA und später auch in China. Die Produktion sollte ursprünglich Ende 2023 anlaufen. Da Volvo aber noch mehr Zeit braucht, um die Software für den E-SUV serienreif zu entwickeln, kündigen die Schweden im Mai eine Verschiebung des Produktionsstarts auf das erste Halbjahr 2024 an.

Exterieur des Volvo EX90

Im Vergleich zur Studie „Recharge“ wirkt das Serienmodell deutlich SUViger und erinnert in Proportionen und Styling stärker an den XC90. Die Scheinwerfereinheiten ragen weit in die Front hinein und flankieren einen geschlossenen Grill. Die vordere Haube ist wenig ausgeprägt; unter ihr verbirgt sich ein kleiner Frunk (37 Liter). Die Windschutzscheibe steht recht flach, das Dach neigt sich indes nur leicht nach hinten hin ab. Starke Sicken sind an der Seite auszumachen, wenngleich die untere Fensterlinie fast waagerecht erscheint. Auch am Heck ist die Verwandtschaft zum XC90 erkennbar. Auffällig ist allerdings das Sensorgehäuse auf dem Dach: Der Lidar soll auch kleine Objekte erkennen, die noch Hunderte Meter entfernt sind.

Der Sieben-Sitzer-SUV ist aerodynamisch optimiert: Die Frontmaske und die Felgen sind geschlossen, die Türgriffe versenkt. Trotzdem kommt der EX90 auf einen eher durchschnittlichen Luftwiderstandsbeiwert (cW) von 0,29.

Im Vergleich zum XC90 ist der EX90 etwas größer und deutlich schwerer: Die Karosserie ist 5,03 Meter lang, 1,74 Meter hoch und ohne Spiegel 1,96 Meter breit. Der Radstand streckt sich auf 2,99 Meter und bietet so Platz für drei Sitzreihen und Gepäck. Je nachdem, ob eine oder beide hinteren Sitzreihen flachgelegt sind, bietet der Kofferraum ein Volumen zwischen 310, 1.010 und 1.915 Litern. Das Leergewicht gibt Volvo mit etwa 2,8 Tonnen an.

Je nachdem, ob der Fahrer parken, fahren oder telefonieren will, schlägt eine spezielle Kontextleiste die Aktionen vor, die für die jeweilige Situation am sinnvollsten sind. Der Cockpit-Screen stellt nach wie vor die wichtigen Fahrinformationen zur Verfügung.

Antrieb: Volvo EX90 mit bis zu 517 PS

Als erstes Volvo-Modell baut der EX90 auf einer reinen E-Auto-Architektur auf. Sie erlaubt kurze Überhänge, einen flachen Fahrzeugboden und ist mit Akkus von CATL ausgerüstet. Das Modell wird im Werk von Volvo Car USA in South Carolina zusammen mit dem Polestar 3 gebaut werden. In China wird der SUV ebenfalls produziert.

Zum Marktstart erhält der EX90 einen 111-kWh-Akku, dessen nutzbare 107 kWh für eine Reichweite von 600 Kilometern im WLTP-Zyklus gut sind. In unter 30 Minuten soll der Akku von zehn auf 80 Prozent laden können. Die Ladeleistung liegt zunächst bei maximal 250 Kilowatt, später sollen bis zu 300 kW möglich sein.

Die beiden Permanentmagnetmotoren an Vorder- und Hinterachse leisten je nach Version zwischen 300 kW (408 PS) und 380 kW (517 PS). Die Basisvariante hat 770 Newtonmeter Drehmoment, die Performance-Version kommt auf 910 Newtonmeter. Die Höchstgeschwindigkeit ist, wie bei Volvo üblich, auf 180 km/h begrenzt. Die Zeiten für den Spurt von null auf 100 km/h sind mit 4,9 bis 5,9 Sekunden angegeben.

Laden: Bidirektional und smart

Den großen Speicher im eigenen E-Auto will Volvo seine Kunden auch anders als nur zum Fahren nutzen lassen. EX90-Besitzer sollen so „Teil der Energiewende werden“. Akku und Batterie-Management sind von Anfang an darauf vorbereitet, Gleich- und Wechselstrom (dreiphasig) abzugeben. Mit Gleichstrom lassen sich andere E-Autos laden. Aber der EX90 wandelt den Gleichstrom aus seiner Batterie auch wieder in Wechselstrom und kann diesen dann zum Beispiel an die heimische Wallbox abgeben. Für Heimlösungen mit Solaranlagen und Stationärspeichern hält Volvo-Entwickler Lutz Stiegler auch Gleichstromlösungen für machbar und sinnvoll, weil Solarzellen und Batterien eben mit Gleichstrom funktionieren. Die entsprechenden Wallboxen seien aber derzeit noch viel zu teuer. Adapter für 230-Volt-Verbraucher sind ebenfalls geplant, genauso wie Volvo-Wallboxen und eine App fürs Energie-Management.

Die App soll es Volvo-Kunden nicht nur möglich machen, smart zu laden, wenn die Strompreise niedrig sind, sondern perspektivisch auch Energie wieder ins Haus- oder Stromnetz einzuspeisen, wenn die Solaranalage auf dem Dach zum Beispiel nachts nichts liefert. Natürlich gibt die App nur Fenster von Ladezuständen frei, die dem Akku nicht schaden und dem EX90 genug Reichweite lassen. Entwickler Lutz Stiegler zerstreut Sorgen um die Langlebigkeit der Batterie: Man habe seit 2013 Erfahrungen mit dem Verhalten entsprechender Batterien gesammelt; die Hauptalterungskomponente bei typischen Kunden (außer bei „Taxifahrern oder Handelsvertretern“) sei die kalendarische. In 15 Jahren vertrage der Akku vereinfacht gesagt 150.000 oder auch 500.000 Kilometer. Insofern sei es sogar sehr sinnvoll, mehr Ladezyklen in die Lebensdauer zu packen; die von der App begrenzten Ladehübe schadeten der Batterie nicht.

Dass bidirektionales Laden noch nicht etabliert sei, liege in den meisten Ländern noch an der Gesetzgebung: Stromspeicher fürs Netz seien bislang meist stationär definiert, mobile nicht genehmigungsfähig. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen jetzt allmählich kommen, ist Volvo bereit. Der Standard (ISO 15118) fürs bidirektionale Laden selbst sei zwar noch jung, aber praktisch alle Autohersteller hätten sich darauf verpflichtet.

Auf dem Dach trägt der EX90, für dessen Name auch Namen ohne Ziffern und andere Kürzel im Gespräch waren, einen Lidar-Sensor (Light Detection and Ranging) vom amerikanischen Spezialisten Luminar Technologies. Das Unternehmen arbeitet auch mit Mercedes, Toyota, Nissan und Volvo-Tochter Polestar zusammen. Den Lidar unterstützen acht Kameras, fünf Radargeräte und 16 Ultraschallsensoren. Deren Signale will Volvo mit Core-Computing und intelligenter Software verarbeiten. Bei Zentral-Rechner und Sofware arbeitet die Geely-Tochter mit Nvidia zusammen.

Autonomes Fahren: Die Sensoren

Hardwareseitig sieht Volvo den EX90 fürs vollautomatisierte Fahren gerüstet; anfangs soll das neue Flaggschiff die Technik aber vor allem für Assistenzsysteme nutzen. Der Hersteller will so die Zahl die Zahl schwerer Verkehrsunfälle um bis zu 20 Prozent verringern. Auf dem Weg zur Unternehmensvision, nach der niemand mehr in einem neuen Volvo getötet oder schwer verletzt werden soll, will der Hersteller mit Weiterentwicklungen der Software das Auto per Over-the-Air-Updates immer mehr in Richtung autonomes Fahren voranbringen. Wohl schon zum Serienstart soll der EX90 Level 3 evtl. schon bei höheren Geschwindigkeiten auf der Autobahn beherrschen als der Drive-Pilot von Mercedes.

Das Herzstück der neuen Sicherheitstechnik ist der Lidar-Sensor. Er nutzt Licht in Form eines Impulslasers, um Entfernungen mit hoher Präzision und Genauigkeit zu messen. Dadurch lassen sich Gefahren früher erkennen. Der Luminar-Sensor auf dem Dach des EX90 erkennt Fußgänger in bis zu 250 Metern Entfernung. Selbst kleine und dunkle Objekte wie zum Beispiel ein Reifen auf einer dunklen Straße werden in 120 Metern Entfernung erkannt. Im Gegensatz zu Kameras ist die Technik dabei nicht auf Licht angewiesen und arbeitet bei Nacht genauso zuverlässig wie bei Tag.

Laut Volvo zeigen Untersuchungen, dass sich mit Lidar-Technik an Bord die Zahl der Unfälle mit Todesopfern und Schwerverletzten um bis zu 20 Prozent senken lassen. Kollisionen insgesamt können um bis zu neun Prozent (Die Häufigkeit der Szenarien basiert auf der Volvo Cars Traffic Accident Database) verringert werden.

weiterlesen auf auto, motor und sport

Related Articles

Back to top button