Praxistest Range Rover P510e SV
Plug-In-Hybride werden nicht mehr staatlich gefördert – kein Wunder, halten Sie ihr Vebrauchs-Versprechen doch meist nicht ein. Der potente Benzin-Hybrid im neuen Range Rover allerdings hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Modellen.
Viele Autoexperten und Öko-Verbände sind sich in einem Punkt einig: Plug-In-Hybridautos sind nicht gerade der Weisheit letzter Schluss. Zu weit weicht der Realverbrauch der Autos von den Versprechungen der Hersteller ab . Insofern ist die Entscheidung der Bundesregierung, die staatlichen Kaufprämien für diese Autos zu stoppen, spät aber folgerichtig. Der Absatz der Teilzeit-Elektriker dürfte damit zurückgehen, entweder zugunsten normaler Benzin- und Dieselautos oder zugunsten vollelektrischer Fahrzeuge.
Plug-In-Hybride: Verbrauchs-Mogelei weit verbreitet
Den Herstellern freilich bleibt keine Wahl: Die weltweit schärfsten Verbrauchs-Vorgaben der EU, die ausdrücklich darauf abzielen, den Verbrenner aufs Abstellgleis zu schieben und nur noch E-Mobile zu erlauben, erzwangen in den vergangenen Jahren die Umstellung auf Hybride. Vor allem bei großen und schweren SUV gab es keine Alternative. Denn nur mit Batterien an Bord erzielen die Autos Reichweiten, die von der Kundschaft kaum akzeptiert würden.
Range Rover kombiniert E-Motor mit Sechszylinder
So baut denn auch Land Rover nicht mehr nur auf Diesel, sondern auch auf den Elektro-Benzin-Doppelwumms mit Hybridantrieb. Zwei stehen zur Auswahl: Der P440e AWD mit 324 kW / 440 PS und der P510e AWD mit 375 kW / 510 PS.
Beiden Varianten hilft ein aufgeladener Dreiliter-Sechszylinder-Benzinmotor auf die Sprünge, unterstützt von einem leistungsstarken Elektro-Modul. Die Hybrid-Batterie des drei Tonnen schweren Briten-Trumms ist mit 38 Kilowattstunden so groß, dass sie sogar für einen Elektro-Kleinwagen reichen würde.
Über 500 PS mit Elektro-Schub
Da stellt sich natürlich schnell die Sinn-Frage, so auch bei dem von uns getesteten Top-Modell P510e: Ist ein starker Dieselmotor in dieser Fahrzeugklasse nicht nach wie vor die sinnvollere Option? Bei vielen Plug-In-Hybriden muss man diese Frage zumindest auf Langstrecken mit Ja beantworten; beim Range Rover fällt die Antwort etwas differenzierter aus.
Hybrid: Lohnt sich das in so einem SUV?
Vorwegnehmen muss man, dass der offizielle Normverbrauch, gemessen bei vollem Akku und bei einer Elektro-Reichweite laut Werksangabe von über 100 Kilometern, mit 0,9 Litern natürlich ein Fantasie-Wert bleibt, sobald der Akku entladen und reines Stromern nicht mehr möglich ist. Zumal auch bei vollem Akku während unserer Testfahrten bei milden Wintertemperaturen der Benzinmotor regelmäßig ansprang.
90 km Elektro-Reichweite in der Praxis
In der Praxis waren auch die 113 versprochenen Elektro-Kilometer nicht ganz erreichbar. Immerhin: Rund 90 km sind mit vollem Akku drin, was den Range Rover zu einem der Plug-In-Hybriden mit der größten E-Reichweite macht. Per Fahrmodus-Schalter kann man zwischen reinem EV-Modus, Hybrid und „Charge“-Modus umschalten (dann wird die Batterie über den Motor als Generator geladen). Sparsam ist der Brite freilich auch im E-Modus nicht. Schon die offizielle Angabe nennt 29,9 kWh auf 100 km als Verbrauch, in der Praxis sind es schnell über 30. Das ist ungefähr das Doppelte dessen, was ein sparsames Elektroauto auf 100 Kilometern verbraucht.
Doch wer 224.582 Euro für ein SUV ausgeben kann (soviel kostete unser Testwagen mit allen Extras tatsächlich), für den sind ja Spritpreise auch nur lustige Zahlen auf Tafeln an einer Tankstelle. Wichtiger ist die Power, die der Wagen liefert. Und da wird man nicht enttäuscht.
Der Doppel-Wumms aus Elektro- und Benzinmotor treibt das drei Tonnen schwere Gefährt nicht nur in sechs Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, sondern sorgt auch auf der Autobahn für souveränes Vorankommen aus jedem Drehzahlkeller. Auf glatten und verschneiten Straßen krallt sich der Range dank Allradantrieb mit diversen Hightech-Programmen in die Spur, wobei man natürlich das üppige Gewicht des Autos nie unterschätzen darf.
Langstrecken-Test im Range Rover
Der Benzintank des Hybrid-Range fasst 71 Liter, etwas weniger als beim Diesel (80 Liter) und deutlich weniger als beim Benziner (90 Liter). Und wieviel Benzin fließt durch die Leitungen? In unserem Test waren es im Hybridbetrieb bei noch vorhandenen Akku-Reserven zwischen drei und vier Litern.
Bei erschöpftem Akku sind bei gemütlicher Autobahnfahrt (maximal 120 km/h) rund 8,4 Liter drin, bei etwas flotterem Tempo (140 bis 170 km/h) werden es zwischen 10 und 11 Liter. Immerhin: Bei den aktuellen Dieselpreisen kann man da mit einem Diesel-Range nicht sparsamer unterwegs sein, denn der genehmigt sich in der Praxis auch leicht 8 bis 10 Liter.
Der Range Rover für die Fahrverbote von morgen
Aber zum Sparen kauft sich ja auch keiner einen Range Rover. Die hohe Elektro-Reichweite ist einerseits den neuen EU-Abgasregeln geschuldet, die sich – noch – mit einem Hybridantrieb erreichen lassen, und zum anderen der Tatsache, dass Innenstadt-Fahrverbote für nicht-elektrische Autos in vielen Cities dieser Welt künftig absolut möglich sind. Großbritanniens Metropole London ist mit seinen immer strengeren Umweltzonen das beste Beispiel dafür. Will der Lord auch in 10 oder 20 Jahren noch seinen Range Rover durch die City pilotieren, wird er das wohl nur dann können, wenn der zumindest in den „grünen“ Zonen lokal emissionsfrei fährt.
Power-Laden im Range Rover
Und so kommen wir denn auch zum entscheidenden Vorteil, den der Range Rover gegenüber den meisten anderen Plug-In-Hybriden hat: Er kann nicht nur mit Wechselstrom und ein paar kümmerlichen Kilowatt, sondern auch über die integrierte CCS-Buchse mit Gleichstrom bis zu 50 Kilowatt geladen werden (im Test waren es meistens 43 kW). Das ist zwar kein Schnellladen im eigentlichen Sinne, aber: Auch auf Langstrecken, etwa bei einer Essens-Pause oder wenn sich die Familie mal die Beine vertritt, kann man den dicken Briten an die Leitung hängen und hat den Akku nach rund einer halben Stunde immerhin zu über der Hälfte wieder gefüllt.
…und was kann er sonst?
Abgesehen von dem, was da nun an Technik unter der Haube schlummert, ist der Range Rover natürlich vor allem eins: Eine fahrende Trutzburg, ein höchst angenehmes Reiseauto. Wenn man sich auf den Fahrersitz gewuchtet hat – der Handgriff am Dachhimmel hilft dabei – schaut man sich den restlichen Verkehr wie ein Royal nur noch von oben an. Und wenn die schwere Tür (auf Wunsch mit elektrischer Unterstützung) ins Schloss fällt, bleibt alles Ungemach der Welt draußen vor den doppelverglasten Scheiben.
Erstaunlich wendig dank Allradlenkung
In der Stadt muss man natürlich mit den üppigen Ausmaßen des Wagens klarkommen. Enge Straßen zaubern in den ersten Tagen Schweißerlen auf die Stirn. Und wahrlich nicht jeder Parkplatz und jedes (ältere) Parkhaus sind für den Range Rover geeignet. Aber immerhin: Die Hinterradlenkung des Wagens macht das Briten-Trumm erstaunlich wendig, wenn es ans Rangieren geht.